DER BEGINN DER ARBEITEN
Im Herbst 2006 begannen die Arbeiten, wobei die Vergabe der Aufträge äußerst spannend war. Wer vor allem würde für den Stollen anbieten, den weitaus größten Auftrag?
Den Zuschlag für die Fräsarbeiten erhielt die Bohrfirma Seli aus Rom, für die Sprengarbeiten die Firma Edilmac aus Bergamo.
Sehr erfreulich aber war, dass ein Großteil der Arbeiten von heimischen Firmen ausgeführt wurden.
Der Sohlstollen wurde ausgesprengt und später mit Stahlrohren ausgekleidet, der senkrechte Vertikalstollen wurde im „raise bore“ Verfahren ausgefräst und ebenfalls später mit Stahlrohren ausgekleidet. Der fast waagrechte Stollen vom Wasserschloss bis nach Moos wurde im Anfangsteil ebenfalls ausgesprengt, wo die TBM (Tunnelbohrmaschiene) zusammengesetzt wurde. Der restliche, etwa 6 km lange Stollen wurde ausgefräst und mit Tübbingen (Betonringen) ausgekleidet.
UNERWARTETE SCHWIERIGKEITEN
Zwei Probleme haben größte Schwierigkeiten bereitet: Die Finanzierung und die unerwarteten Wasserzutritte im Stollen.
Aus rechtlichen Gründen musste die Finanzierung auf europäischer Ebene ausgeschrieben werden und nur mit Hilfe eines Professors aus Venedig und eines Experten aus Bozen, Dr. Heinz Senoner, konnten die Ausschreibungsunterlagen erstellt werden. Die Prozedur erforderte Monate und am Ende erhielt die Banca Intesa in Zusammenarbeit mit der BTB (Banca di Trento e Bolzano) den Zuschlag.
Noch unerwarteter waren hingegen die enormen Wasserzutritte im Stollen. Obwohl 8 Probebohrungen durchgeführt worden waren, haben sich diese als Stiche in den Heuhaufen erwiesen. Solche Wassermengen waren niemals zu erwarten gewesen. Bis zu 400 Sekundenliter flossen aus dem Felsen und wo schlechter, brüchiger Fels dazukam, drohte die Fräse stecken zu bleiben.
Stunden und Tage der Sorge nagten an den Nerven und manchmal gab man fast die Hoffnung auf.
Dazu ein Textauszug aus dem Passeirerblatt: “Wie sieht ein Berg im Innern aus? Man denkt an einen mehr oder weniger kompakten Fels mit Wasseradern dazwischen. Im Übrigen ist es eine Frage, die einen nicht weiter beschäftigt, bis man nicht direkt damit konfrontiert wird. Beim Großkraftwerk waren in der Vorbereitungsfase 7 Probebohrungen bis zu 300 m Tiefe gesetzt worden, welche zusammen mit der Oberflächenkartierung relativ guten Felsen erwarten ließen, unterbrochen von mehreren Störzonen, jenen Bereichen, wo im Zuge der Gebirgsbildung der Fels gerissen, der Stein zerrieben und in unterschiedlich breiten Abschnitten dieses Lockermaterial mit Wasser eingelagert ist.
Die Erwartungen bestätigten sich im ersten Teil des Stollens, der Fels war kompakt und die Tunnelbohrmaschine (TBM) kam pro Tag bis zu 30 m voran. Im Verlauf des Monats Juli 2007 stieß man auf unerwartet viel Wasser in einer Störzone, welche parallel zum Stollen verlief. Die Bedingungen wurden teilweise so schwierig, dass die TBM an manchen Tagen keinen ganzen Meter vorankam. Durch das viele Wasser und das Lockermaterial wurde die TBM eingeschlemmt und musste millimeterweise mit einer Kraft von bis 9000 Kilonewton weitergeschoben werden, wo bei härtestem Fels 5000 Kilonewton reichen. Zugleich lief von allen Seiten das Wasser in das Innere der TBM, sodass die Arbeiter die Betonauskleidung nur mit Taucheranzügen verlegen konnten.
Die Arbeitsbedingungen waren extrem schwierig, verlangten allen das Letzte ab.
Ebenso nervenaufreibend war des Wissen, dass eine solche TBM sich nur nach vorne bewegen kann und nicht nach rückwärts. Der Bohrkopf fräst den Fels aus, dahinter werden Betonringe eingesetzt, gegen die sich der Bohrkopf stützt und weiterschiebt, aber logischerweise ist dieser Betonring jetzt enger als der Bohrkopf und es gibt kein zurück. Diese Zeit hat das Maximum an Einsatz und Nerven gefordert. Wenn man die Arbeit im Stollen unter diesen Bedingungen miterlebt, beginnt man die Hoffnung auf Hilfe von oben zu verstehen und die Verehrung der Bergleute für die Hl. Barbara.
Anfang August 2007 war das Ende dieser Störzone erreicht. Seither haben sich die Bedingungen stark gebessert, der Fels ist kompakter und die Wassereintritte haben abgenommen.
Parallel mit den Arbeiten im Stollen mussten die Vorbereitungen für die reguläre Ableitung des Stollenwassers getroffen werden. Die zusätzlichen Anlagen, welche durch die erhöhten Wasserzutritte notwendig wurden, haben sich mit 300.000 Euro zu Buche geschlagen. Eine in der Erde verlegte Stahlleitung mit einem Durchmesser von 400 mm führte das Stollenwasser bis zum Mörrersand, wo es in einer neuen Wasseraufbereitungsanlage geklärt wurde, durch Absetzbecken lief und in die Passer eingeleitet wurde. Dabei war das Stollenwasser frei von anderen Verunreinigungen, es waren Schwebestoffe wie Flins, Sand und Lehm, welche herausgefiltert werden mussten. Teilweise entstand die paradoxe Situation, dass das gefilterte Stollenwasser sauberer war als das Wasser in der Passer. Grundsätzlich lag der Anteil des eingeleiteten Wassers immer unter einem halben Prozent im Verhältnis zum Wasser der Passer. Jeder Bagger, der im Flussbett arbeitet, löst weitaus mehr Schwebestoffe frei, ohne dass dabei eine Filterung gefordert wäre.“
DER STOLLENDURCHBRUCH
Doch alle schweren Tage haben auch ein Ende und am 30. März 2008 konnte der Stollendurchbruch in Moos mit unzähligen Interessierten gefeiert werden.
Zu Hunderten hatten sich Interessierte in der Sportzone Moos eingefunden, um ein Spektakel mitzuerleben, welches sich nicht so schnell wiederholen wird. Über Großleinwand wurde der Durchstich in das Sportgelände in Moos übertragen. Gespannt wartete man auf die Fräse.
Zuerst war es, das Bohrgeräusch, das den Bohrkopf ankündigte, dann fielen einzelne Felsbrocken zu Boden und plötzlich tauchte der Riesenbohrkopf auf, der die letzten Felsbrocken zur Seite schleuderte.
Freudiger Applaus begleitete das erfolgreiche Ende nach 6 Kilometern mühevollem Grabens durch den Berg. Spürbar war das Aufatmen bei Verantwortlichen und Firmen, dass es geschafft war, dieses Vorhaben von Passeirern für Passeier. Die Spannung löste sich, für das Wohl aller war bestens vorgesorgt und noch stundenlang besprach man das Ereignis. Doch auch erfahrene Stollenbauer bestätigten, noch nie in fünfzig Jahren soviel Wasser in einem Berg angetroffen zu haben und das bedeutet etwas bei einer Firma, die weltweit Stollen baut.
Der größte Dank aber geht an den Herrgott, dass kein Unfall die Arbeiten überschattet hat. Vielleicht ist daran auch die heilige Barbara, die Schutzpatronin der Bergleute, nicht unbeteiligt. Ihr Fest wird in Moos am Barbaratag jedes Jahre feierlich gestaltet und damit wird die jahrhunderte alte Tradition der Schneeberger Knappen am Leben erhalten.
Wer im Dunkel des Berges seiner Arbeit nachging, wusste die Hilfe von oben schon immer zu schätzen und wir haben das Vertrauen auf diese Hilfe neu entdeckt.
Anschließend schob sich die über 200 m lange Fräse aus dem Stollen, wurde zerlegt und mit einem Kran aus dem Schacht gehoben.
DIE ZUSATZARBEITEN
Trotzdem blieben die hohen Wassereintritte nicht ohne Folgen. Der Betonring im Stollen hat zwischen den einzelnen Ringen eine Dichtung, welche normalerweise ausreicht, um die Hinterfüllung mit Zementinjektionen zu ermöglichen. Der hohe Wasserdruck aber machte es notwendig, dass die Fugen zwischen den Ringen verfugt werden mussten, fast sechstausend Fugen, eine Mehrarbeit, die eine mehrmonatige Verzögerung erzwang. Doch auch diese Zusatzarbeit wurde durchgeführt und der Betonring mit Zement und an Stellen mit hohen Wasserzutritten mit Kunstharz hinterfüllt. Anschließend wurde die Fassung in Moos fertiggestellt und für die Einleitung des Wassers vorbereitet. Ebenso wurden beim Wasserschloss die letzten Stahlrohre eingesetzt, verschweißt und einbetoniert, auch dies von einer einheimischen Firma.